Der Seniorennachmittag im Oktober drehte sich ums Thema Alter. Es ging um eine Liebeserklärung an die zweite Lebenshälfte. Musikalisch begeisterte das Akkordeonduo Finkposiiv von Lyss. Lesen Sie hier den Bericht von Beatrice Leibundgut und zusätzlich ein paar Gedanken von diesem Nachmittag.

Alt werden ist wie Bergsteigen

Man kommt ein wenig ausser Atem

Aber die Aussicht ist viel besser.

Ingrid Bergmann

An unserem ersten Seniorinnen- und Seniorennachmittag dieser Saison wütete das Sturmtief „Benjamin”.
Davon unbeeindruckt fanden sich über 60 Besucherinnen und Besucher in der herbstlich geschmückten Turnhalle Dorf ein.
Pfarrer Iwan Schulthess verstand es wunderbar, seine Gedanken zum Thema „Alt werden ist ein Glück – Wunschzettel fürs Alter” mal poetisch, mal humorvoll, aber auch nachdenklich zu präsentieren. Er ließ viele interessante Zitate einfließen. Unter anderem das der Schauspielerin Mae West: „Du lebst nur einmal, aber wenn du es richtig machst, ist einmal genug.“
Dazwischen spielte das Duo Fink positiv bekannte Melodien, beispielsweise „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an”. Dieses Lied hätte nicht besser passen können und zeigt sehr deutlich, dass es oftmals auf die Einstellung ankommt, wie man mit der dritten Lebenshälfte umgeht. Oder, um es mit den Worten von Iwan mit einem Augenzwinkern auf das Zitat von Joachim Fuchsberger zu sagen: „Altwerden ist nichts für Feiglinge”. Zur Musik von „Griechischer Wein” genossen wir zwar keinen Wein, aber ein feines Zvieri. Und bestimmt nahm sich manches das eine oder andere Wort vom Nachmittag
zu Herzen und wollte nicht nur über Krankheiten diskutieren.

Bericht und Fotos von Beatrice Leibundgut

Vom Standpunkte der Jugend aus gesehn,

ist das Leben eine unendlich lange Zukunft;

vom Standpunkte des Alters aus,

eine sehr kurze Vergangenheit.

Arthur Schopenhauer

Das Alter ist kein Anhängsel.

Jeden Tag kommen wir unserem Ende näher. Das müssen wir uns bewusst machen. Mit dem Beginn der letzten Lebensphase, wechselt die Perspektive und es ist Zeit, das Leben vom Ende her zu sehen.

Wenn wir bewusst von der einen Lebensstufe zur anderen schreiten, können wir uns bewusster von der alten Lebensstufe verabschieden und die neue Lebensstufe begrüssen. Die Kunst des Alterns bedeutet, auch die letzte Lebensstufe bewusst zu begrüssen. Das passiert, wenn wir auch die letzte Lebensphase nicht verdrängen, aber begrüssen, am besten umarmen. Natürlich können wir bei jedem Übergang von einer Phase in die andere, einfach so weiterleben wie bisher, als gäbe es für uns weiterhin ein grossartiges, schönes Morgen, von dem wir mit 20 Jahren träumten. Dann halten wir den Zeiger der Uhr an und bilden uns ein, die Zeit stehe still. Im tiefsten wissen wir jedoch, dass uns das nichts nützt.

Schauspieler Winfried Glatzeder hat es einmal ganz direkt so ausgedrückt:
Zu akzeptieren, dass der Körper sich nach und nach verabschiedet, ist schwer, weil es so brutal ist.

Und der Schauspieler Joachim Fuchs kommt zur Erkenntnis:
Altwerden ist nichts für Feiglinge.

Wirklich, es bleibt uns am Ende nichts übrig, als den Widerstand aufzugeben, die Wende von der ersten zur zweiten Lebenshälfte zu vollziehen. Erst, wenn wir uns von der vorausgegangenen Lebensphase verabschiedet haben, sind wir bereit und in der Lage, die letzte Lebensphase anzunehmen und die Möglichkeiten, die sie für uns bereit hat, zu sehen, zu schätzen und zu nutzen.

Das Alter ist kein Anhängsel vom eigentlichen Leben. Es ist eigentliches Leben. Eine eigene einzigartige Entwicklungsphase. Das Leben auf der letzten Etappe will uns etwas abnehmen und viel geben. Es gibt dem Leben eine neue Richtung. Weg von berufliche und familiäre Verpflichtungen, auch von materieller Orientierung, hin zu einem geistigen Leben, zur Erfahrung von Leben in Fülle durch bewusstes, intensiveres Leben und einer grösseren Bereitschaft, für andere da zu sein.

Damit das möglich wird, müssen wir ein klares Ja zu dieser neuen und letzten Lebensphase sagen. Sie umarmen, uns mit ihr befreunden. Ganz in ihr aufgehen. Wir dürfen sie nicht geringer achten als die Zeiten, in denen wir unser Lebens als ein blühendes Leben empfunden haben. Versuche, im Alter auf jung zu machen, die ewige junge Frau, der ewige junge Mann zu bleiben, sind kontraproduktiv. Sie verhindern die Entwicklungsschritte, die uns am Ende mehr und mehr zu einem weisen, von innen erleuchteten alten Menschen machen.