Der Seniorennachmittag im Oktober drehte sich ums Thema Alter. Es ging um eine Liebeserklärung an die zweite Lebenshälfte. Musikalisch begeisterte das Akkordeonduo Finkposiiv von Lyss. Lesen Sie hier ein paar Gedanken von diesem Nachmittag
Alt werden ist wie Bergsteigen
Man kommt ein wenig ausser Atem
Aber die Aussicht ist viel besser.
Ingrid Bergmann
Mit jedem Tag wird das Leben aufgebraucht
Und ein ständig kleinerer Teil von ihm bleibt zurück.
Marc Aurel
Das Alter ist kein Anhängsel. Jeden Tag kommen wir unserem Ende näher. Das müssen wir uns bewusst machen. Mit dem Beginn der letzten Lebensphase, wechselt die Perspektive und es ist Zeit, das Leben vom Ende her zu sehen.
Vom Standpunkte der Jugend aus gesehn,
ist das Leben eine unendlich lange Zukunft;
vom Standpunkte des Alters aus,
eine sehr kurze Vergangenheit.
Arthur Schopenhauer
Wenn wir bewusst von der einen Lebensstufe zur anderen schreiten, können wir uns bewusster von der alten Lebensstufe verabschieden und die neue Lebensstufe begrüssen. Die Kunst des Alterns bedeutet, auch die letzte Lebensstufe bewusst zu begrüssen. Das passiert, wenn wir auch die letzte Lebensphase nicht verdrängen, aber begrüssen, am besten umarmen. Natürlich können wir bei jedem Übergang von einer Phase in die andere, einfach so weiterleben wie bisher, als gäbe es für uns weiterhin ein grossartiges, schönes Morgen, von dem wir mit 20 Jahren träumten. Dann halten wir den Zeiger der Uhr an und bilden uns ein, die Zeit stehe still. Im tiefsten wissen wir jedoch, dass uns das nichts nützt.
Schauspieler Winfried Glatzeder hat es einmal ganz direkt so ausgedrückt:
Zu akzeptieren, dass der Körper sich nach und nach verabschiedet, ist schwer, weil es so brutal ist.
Und der Schauspieler Joachim Fuchs kommt zur Erkenntnis:
Altwerden ist nichts für Feiglinge.
Wirklich, es bleibt uns am Ende nichts übrig, als den Widerstand aufzugeben, die Wende von der ersten zur zweiten Lebenshälfte zu vollziehen. Erst, wenn wir uns von der vorausgegangenen Lebensphase verabschiedet haben, sind wir bereit und in der Lage, die letzte Lebensphase anzunehmen und die Möglichkeiten, die sie für uns bereit hat, zu sehen, zu schätzen und zu nutzen.
Das Alter ist kein Anhängsel vom eigentlichen Leben. Es ist eigentliches Leben. Eine eigene einzigartige Entwicklungsphase. Das Leben auf der letzten Etappe will uns etwas abnehmen und viel geben. Es gibt dem Leben eine neue Richtung. Weg von berufliche und familiäre Verpflichtungen, auch von materieller Orientierung, hin zu einem geistigen Leben, zur Erfahrung von Leben in Fülle durch bewusstes, intensiveres Leben und einer grösseren Bereitschaft, für andere da zu sein. Damit das möglich wird, müssen wir ein klares Ja zu dieser neuen und letzten Lebensphase sagen. Sie umarmen, uns mit ihr befreunden. Ganz in ihr aufgehen. Wir dürfen sie nicht geringer achten als die Zeiten, in denen wir unser Lebens als ein blühendes Leben empfunden haben. Versuche, im Alter auf jung zu machen, die ewige junge Frau, der ewige junge Mann zu bleiben, sind kontraproduktiv. Sie verhindern die Entwicklungsschritte, die uns am Ende mehr und mehr zu einem weisen, von innen erleuchteten alten Menschen machen.


Bilder: Beatrice Leibundgut